Das ewige Für und Wider der Pferdedecke

Sollte man Pferde eindecken?

Diese 22 Gründe dagegen oder dafür solltest du kennen!

Im Herbst beginnt sie: die Deckensaison. Oder sollte ich lieber sagen: die Diskussionssaison? Denn an kaum einem anderen Thema scheidet sich die Reiterwelt so sehr, wie an der leidigen Gretchenfrage „Eindecken oder nicht?“. Manch einer macht es schon seit Jahren „so“ und hat seine Meinung zu dem Thema. Aber gerade wer unsicher ist, das Gefühl hat, in den Debatten immer den Kürzeren zu ziehen oder sich schlussendlich dem Gruppenzwang der Stallgemeinschaft beugt, ist frustriert. Ob nun mit Decke oder ohne – du hast nicht das Gefühl, dass das was alle andern machen das Beste für DEIN Pferd ist? Es fällt dir aber schwer, die richtigen Argumente für deinen Standpunkt zu finden?

Pferde eindecken mit Regendecken
Decke oder keine Decke? Was ist die richtige Entscheidung für DEIN Pferd?

Kein Problem. Ich habe dir hier eine lange Liste mit den wichtigsten Argumenten beider Lager zusammengestellt. Wenn du sie in Ruhe durchliest und verstehst, kannst du dich getrost ins nächste Wortgefecht stürzen und schlussendlich für dich und dein Pferd entscheiden, ob und wann eine Decke angebracht ist. Denn das Thema „Pferdedecke“ ist IMMER individuell zu betrachten und von der jeweiligen Situation abhängig. „Pauschal“ gibt es hier nicht!

Los geht`s.

Die Fraktion der Deckengegner sagt:

Pferde sollten NICHT eingedeckt werden.

1. Pferde haben eine angeborene Thermoregulation, die es ihnen ohne Decke ermöglicht, ihre Körpertemperatur den Außentemperaturen anzupassen.

Als Steppen- und Wildtiere haben Pferde über die Jahrmillionen ihrer Evolution und Entwicklung ohne Decken überlebt, weil sie so gut an ihre Umwelt angepasst sind. Die Mechanismen, die ihnen dies möglich machen, nennt man zusammengefasst Thermoregulation. Sie setzt sich aus einem komplexen Zusammenspiel von Haut, Fell, Schweißdrüsen und dem Gefäßsystem zusammen und arbeitet sehr effizient. Wie bereits in vielen Studien nachgewiesen werden konnte, haben Pferde so keinerlei Schwierigkeiten, sich in einem Temperaturfenster von -15 bis 25°C sicher zu bewegen.

Während das Pferd sich bei Wärme über die Produktion von Schweiß herunterkühlen kann, so kann es sich bei Kälte durch das Aufstellen der Haare isolierende Luftpolster schaffen. Dies ist besonders bei Ponys im Winter zu beobachten. Bei Kälte stellen sie ihr ohnehin schon dichtes Winterfell auf und sehen dann aus wie Plüschtiere.

2. Die Thermoregulation wird durch das ständige Eindecken ge- bzw. zerstört.

Stört man die natürliche Thermoregulation des Pferdes, indem man mit einer Decke Einfluss darauf nimmt, kann sie nicht ausreichend trainiert werden. Das Aufstellen des Fells beispielsweise wird rein mechanisch durch die aufliegende Decke blockiert. Über die Haut kann keine Wärme mehr direkt abtransportiert werden und das Pferd schwitzt möglicherweise sogar unter der Decke. Andere Körperstellen ohne Decke – wie Bauch, Hals und Beine – verlieren jedoch schneller an Wärme. In diesem Fall darf die Thermoregulation durchaus als gestört angesehen werden.

Wer sein Pferd nun von Kindesbeinen an eindeckt, nimmt ihm gänzlich die Möglichkeit, seine Thermoregulation zu trainieren. Solche Pferde sind meist anfälliger gegenüber Infektionen und müssen fortan häufiger eingedeckt werden. Ihnen fehlt schlichtweg der natürliche Schutz.

Pferde eindecken
Fohlen sind von Geburt an gut gegen Witterungseinflüsse geschützt – deckt man sie ein, können sie ihre Thermoregulation nicht trainieren

Viele Sportpferde, die ihr Leben lang nur mit Decken in ihren Boxen standen, würden uneingedeckt im Winter anfangen zu frieren.

3. Mit einer Decke vermenschlichen wir das Pferd.

Denn: Die Wohlfühltemperatur von Pferden liegt deutlich tiefer, als die des Menschen. Während der Mensch sich bei durchschnittlich 20°C am wohlsten fühlt, ist es dem Pferd viel lieber, wenn es kühler ist. Bei um die 5°C trockener Kälte sind Pferde im Prinzip am leistungsfähigsten. Wird dem Reiter im Herbst bei 10°C aber so kühl, dass er die dickere Jacke aus dem Schrank holt, „muss“ seinem Pferd auch kalt sein. Also bekommt der vierbeinige Freund schon einmal die leichte Outdoordecke mit der 50g Füllung aufgelegt.

Dieses Phänomen lässt sich jeden Herbst, wenn die Tage kürzer werden, in den Reitställen der Republik beobachten. Hierbei wird allzu selten Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse der Pferde geachtet, sondern vielmehr nach dem menschlichen Kälteempfinden gehandelt.

4. Gerade Robustpferde tragen ihren Namen nicht zum Spaß – sie benötigen gar keine Decke.

Bei den sogenannten Robustrassen, wie Isländern und Norwegern, ist die isolierende Fettschicht unter der Haut deutlich stärker ausgeprägt, als bei anderen Rassen. Das liegt an ihren Herkunftsländern und den dortigen Lebensumständen. Sie kommen aus kalten und unwirtlichen Gegenden und sind dort bestens an diese klimatischen Bedingungen angepasst.

Pferde eindecken
Isländer entwickeln dank ihrer Herkunft ein üppiges Winterfell und benötigen keine Winterdecke

In unseren Breitengraden sollten sie also keinerlei Schwierigkeiten mit niedrigen Temperaturen haben. Eine zusätzliche Decke würde sie bei milden Temperaturen sogar eher überhitzen lassen. Dennoch sehe ich oft gesunde Norweger oder Isländer bei Temperaturen um die 5°C eingedeckt in dicke Decken auf ihren Paddocks stehen – und darunter fürchterlich schwitzen.

5. Decken verhindern den natürlichen Aufbau von Winterfell.

Wer sein Pferd direkt zu Beginn des Herbstes eindeckt – dann, wenn es eigentlich noch viel zu warm für eine Decke ist – behindert das natürliche Wachstum des Winterfells. Viele Pferde schieben dann nämlich nicht genügend oder kürzeres Fell und benötigen in der Folge den ganzen Winter über eine Decke. So macht man nicht nur einerseits sein Pferd abhängig von der Decke – sondern auf der anderen Seite auch sich selbst.

Denn wer nicht das Glück hat, neben dem Stall zu wohnen oder gutes Stallpersonal hat, der muss sich überlegen, wie er es schafft, sein Pferd zu jeder Zeit optimal einzudecken. Nachts sollte das Pferd möglichst ohne Decke im Stall schlafen, morgens dann mit Decke auf die Koppel kommen. Und wenn es mittags schön sonnig ist, müsste die Decke eigentlich noch einmal abgenommen werden. Das Ganze mutiert dann schnell zur logistischen Meisterleistung. Viele „Früheindecker“ bei uns im Stall haben dieses Problem – und es gibt leider keine Patentlösung – außer nicht so früh im Jahr einzudecken.

6. Decken bergen ein enormes Unfallrisiko.

Ob beim Wälzen oder beim Toben auf der Koppel – aufgrund der vielen Strippen und Gurte, mit denen eine Decke festgezurrt ist, kann es sehr leicht zu Verletzungen durch Hängenbleiben kommen. Es mussten schon Pferde eingeschläfert werden, weil sie sich ein Bein in ihrer Decke gebrochen haben, nachdem sie sich nicht mehr selbstständig aus ihren Beinschnüren befreien konnten. Gerade in Phasen, in denen die Pferde nicht direkt unter Beobachtung stehen, sind die Risiken besonders hoch.

Wird ein in der Decke gefangenes Pferd beispielsweise erst am nächsten Morgen gefunden, kommt vielleicht schon jede Hilfe zu spät. Ich selbst habe schon – Gott sei dank nicht ganz so schlimme – Verletzungen bei Pferden durch Deckengurte gesehen. Gerade falsch verschnürte Beinstrippen, aber auch zu locker verschnallte Bauchgurte sind hier die Hauptursachen.

7. Gerade in der Gruppenhaltung gehen Decken oft kaputt. Die ständige Reparatur oder gar Neuanschaffung einer Decke ist auf Dauer sehr kostspielig.

Wenn Pferde miteinander spielen, toben oder Rangkämpfe ausfechten, leidet bei einem eingedeckten Pferd als erstes die Decke. Viele Nutzer von Decken monieren, dass diese schon nach kurzer Tragezeit von einem Stallkollegen zerrissen wurde. Diese Mehrkosten kann man sich sparen, wenn man die Decke direkt weglässt – gerade wenn sie nicht zwingend erforderlich ist.

8. Sozialkontakt von Pferden wird durch die Decke gehemmt.

Pferde kommunizieren durch Körpersprache und Körperkontakt. Dies ist mit Decke jedoch nur noch eingeschränkt möglich.

Pferde eindecken
Gegenseitige Fellpflege ist nur möglich, wenn die beteiligten Pferde keine Decken tragen

Ein eingedecktes Pferd kann in der Gruppe weder in den Genuss der sozialen Fellpflege kommen, noch über Dinge wie das Schweifschlagen seinen Unmut ausdrücken. Decken – am besten noch mit Halsteilen und mit riesigen Schweiflatzen – machen dies unmöglich.

9. Wird ein Pferd bei warmen Temperaturen eingedeckt, schwitzt es unter der Decke.

Ab 15°C und Sonnenschein – an einem schönen Herbsttag keine Seltenheit – steigen die Temperaturen unter der Pferdedecke plötzlich heftig an. Wasserdichte Decken verhindern zudem, dass die Feuchtigkeit vom Pferdefell abziehen kann. Statt das Pferd jetzt vor Kälte zu schützen, passiert also das Gegenteil: Das Pferd wird quasi im eigenen Saft geschmort. Während der Pferdekörper versucht, sich herunter zu kühlen, arbeitet die Decke dagegen an. Eine enorme Belastung für das Immunsystem, was viele Pferde anschließend gerne mit Infekten quittieren.

Außerdem hat man so ein ideales Milieu für Pilze und andere Keime geschaffen. Leider sieht man bei solchen Temperaturen immer noch viel zu viele Pferde unnötigerweise mit dicken Decken herumstehen. Meist fehlt schlicht die Zeit, sie auszuziehen.

10. Reiter, die ihre Pferde eindecken, wollen sich lediglich das Putzen sparen.

Zugegeben – die Vorstellung klingt verlockend: Man holt das Pferd vom matschigen Winterpaddock, nimmt ihm die siffige Decke ab und zum Vorschein kommt ein blitzeblankes Pferd, das man direkt satteln und reiten kann. So oder so ähnlich denken wohl viele Reiter, die ihre Pferde auch an warmen Tagen von Kopf bis Fuß eindecken. Wie es dem Pferd dabei ergeht – ob es unter der Decke schwitzt, sich nicht mehr ausgiebig wälzen kann oder ähnliches – wird hierbei nicht berücksichtigt. Es ist also eine ziemlich egoistische Einstellung des Reiters.

Pferde eindecken
Schmutzige Pferde sind glückliche Pferde

Ich habe noch gelernt: Dreckige Pferde sind glückliche Pferde. Und sollte man der Dreckkruste mal tatsächlich nicht Herr werden – was ich für sehr unwahrscheinlich halte bei den Mengen an Putz- und Waschutensilien, die der Markt inzwischen hergibt – sollte man das Reiten einfach auf den nächsten Tag verschieben. Schließlich gibt es auch noch andere Methoden, ein dreckiges Pferd zu beschäftigen: Longieren, Bodenarbeit, Spazieren gehen…. Nun, das Argument mit dem Putzen sollte eigentlich wirklich niemals der Hauptgrund sein, sein Pferd einzudecken. Lediglich in Ausnahmefällen kann dies toleriert werden. Also beleuchten wir jetzt die Hintergründe, warum man ein Pferd eindecken sollte oder sogar müsste.

Die Fraktion der Deckenbefürworter sagt:

Pferde sollten eingedeckt werden.

1. Mit Decke bleibt das Fell sauber.

Nicht davon ausgehend, dass dieses Argument den Alltag, sondern die Ausnahme darstellt, kann ich es durchaus so stehenlassen. Natürlich ist ein Pferd, das eine Decke trägt, darunter sehr sauber. Diesen Effekt sollte man sich allerdings wirklich nur in Ausnahmen zu Nutze machen. Dafür zählen für mich Dinge wie Veranstaltungen oder Turniere, bei denen man sein Pferd am Vortag vorbereitet und so früh los muss, dass morgens keine Zeit für eine erneute gründliche Wäsche bleibt. Besonders betroffen davon sind Schimmel- oder Scheckenbesitzer. In einem solchen Fall ist es durchaus mal legitim, sein Pferd mit einer dünnen (Abschwitz-)Decke zum Erhalt der Sauberkeit des Fells über Nacht einzudecken.

Pferde eindecken
Was? Du willst zum Turnier? Dann bringen wir doch mal Farbe ins Fell!

Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie es ist, morgens um halb vier vor dem Turnier im Stall zu stehen und ein von oben bis unten dreckiges Pferd vorzufinden. An solchen Tagen haben nämlich selbst die sonst sehr reinlichen Pferde Mistflecken in der Mähne und der Sattellage.

2. Fliegendecken im Sommer ersparen dem Pferd viel Stress.

Viele Pferde stören sich im Sommer auf der Koppel extrem an lästigen kleinen Plagegeistern, wie Mücken oder Bremsen. Diesen Pferden sollte man mit einer Fliegendecke Erleichterung verschaffen. Diese bestehen aus einer Art Netzstoff, der Insekten rein mechanisch daran hindert, auf dem Pferd zu landen. Durch die luftige Struktur des Stoffes läuft das Pferd auch nicht Gefahr, unter der Decke zu schwitzen.

Pferde eindecken
Durch die Fliegendecke wird das Pferd auf der Weide deutlich weniger von Mücken und Bremsen zerstochen

Auch beim Ausreiten kann eine Fliegendecke enorm hilfreich sein. Sensible Pferde werden hektisch, schlagen mit Kopf und Schweif bei dem Versuch, Insekten zu verscheuchen. Fangen die Pferde nach einem flotten Galopp auch noch an zu schwitzen, ziehen sie noch mehr von den Viechern an. An entspanntes Weiterreiten ist dann nicht mehr zu denken. Ausreitfliegendecken haben einen Ausschnitt für den Sattel und erleichtern sowohl dem Pferd als auch dem Reiter das Leben enorm. Gerade für diejenigen Pferde, bei denen Fliegensprays nicht besonders gut anschlagen und die besonders nervös werden, halte ich Fliegendecken für eine optimale Lösung.

3. Während einer Anhängerfahrt brauchen Pferde eine Decke.

Vor dem Hintergrund, dass der Transport im Anhänger für Pferde wohl eine der unnatürlichsten Situationen ist, die ein Reiter im zumuten kann, sollte man sie hierbei mit einer Decke vor den unterschiedlichen Gegebenheiten schützen. Im Anhänger entsteht während der Fahrt gerne Zugluft. Da diese für das Pferd und seine Muskulatur kontraproduktiv ist und es sich nicht bewegen und ausweichen kann, empfiehlt sich die Nutzung einer Decke. Diese sollte allerdings immer den Außentemperaturen angepasst sein – also keine Thermodecke im Sommer verwenden!

Außerdem bietet eine Decke Schutz vor leichten Stoß- oder Schürfverletzungen, die eventuell zustanden kommen könnten. Im Sommer kann man seinem Pferd mit einer Fliegendecke etwas Gutes tun, da es sich gegen mitfahrende Insekten im Anhänger nicht genügend zur Wehr setzen kann. So wird das Pferd auch nicht unnötig nervös während der Fahrt.

Pferd eindecken
Trägt das Pferd eine Fliegendecke während des Transports, machen ihm lästige Insekten nichts aus

Wer viel mit seinem Pferd unterwegs ist, greift gerne auf speziell entwickelte Transportdecken zurück, die sich je nach Temperatur zusammenstellen lassen.

4. Sind Pferde ungeschützt zu viel Regen ausgesetzt, kann die Haut aufweichen und Tür und Tor für Infektionen öffnen.

Pferde sind Steppentieren und nicht dafür gemacht, im Dauerregen zu stehen. In der Steppe sind die Niederschlagsmengen vergleichsweise niedrig (ca. 300 mm pro Jahr), im Gegensatz zu unseren Breitengraden (600 bis 900 mm pro Jahr). Besonders schlimm sind alle Phasen, in denen es nicht nur schauert, sondern durchregnet. Ungeschützte Pferdehaut weicht irgendwann auf und bildet Eintrittspforten für Keime und Bakterien.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Dermatophilose – das Regenekzem. Bei dieser bakteriellen Infektion bilden sich Pusteln auf der Haut und sie beginnt, sich abzulösen. Darunter befindet sich gerötete und entzündete Haut, die nässt, warm ist und schmerzt. Pferde mit empfindlicher Haut, die auch zu Mauke oder Sommerekzem neigen, sind besonders gefährdet.

Pferd eindecken
Ein Regenekzem in der Sattellage ist für das Pferd extrem unangenehm – und ein guter Grund für eine Decke

Wenn dies bekannt ist, sollte man bei dauerhaftem Regen prophylaktisch eine dünne Regendecke auflegen – sogar im Sommer. In unserem Stall müssen einige Pferde immer wieder in solchen Phasen eingedeckt werden. Ansonsten neigen sie nämlich zum Regenekzem. In der Folge sind sie dann mehrere Wochen nicht mehr reitbar, da das Ekzem sich meist in der Sattellage befindet.

5. Wer rechtzeitig eindeckt, verhindert zu üppiges Winterfell.

Dieses Argument stand eben schon auf der Contra-Seite. Es kann aber auch ein Argument für Deckenbefürworter sein. Denn wie bereits beschrieben prägt sich das Winterfell durch frühes Eindecken oft nicht so sehr aus, wie ohne Decke: Viele Pferde schieben früh eingedeckt weniger Fell. Ein Effekt, den all diejenigen Reiter kennen und schätzen, die ihre Pferde auch im Winter ganz normal weiter trainieren wollen. Das wird durch zu üppiges Winterfell oft zur Herausforderung: Die Pferde schwitzen beim Training sehr, trocknen schlecht ab und man muss deutlich mehr Zeit aufwenden, bis das Pferd trocken in seinen Feierabend entlassen werden kann.

Außerdem schränkt ein Zuviel an Winterfell die Leistungsbereitschaft deutlich ein. Wer sein Pferd hier durch rechtzeitiges Eindecken vorbereitet hat, kommt entspannter durchs Wintertraining. Denn viele Pferde brauchen auch in der kalten Jahreszeit ausreichend Bewegung unter dem Reiter, damit sie nicht komisch werden. Solche Kandidaten kennt wohl jeder aus seinem Stall: Steht das Pferd mehr als zwei Tage, mutiert es zum Pulverfass.

6. Nach dem Reiten im Winter sollte man auf jeden Fall eine Abschwitzdecke auflegen. Das hilft den Pferden enorm, geregelt abzutrocknen, ohne direkt auszukühlen.

Trainiert man mit seinem Pferd im Winter, wird dieses durch das Winterfell meist deutlich stärker schwitzen, als im Sommer. Durch die Schweißproduktion versucht das Pferd, seine Körpertemperatur zu senken. Durch Kälte und Zugluft geschieht dies aber viel zu schnell. Das Pferd kühlt infolgedessen aus – und unterkühlt. Die Abschwitzdecke verhindert dies, indem sie die Feuchtigkeit nach außen abführt, das Pferd aber am Auskühlen hindert. Ein ausgeklügeltes System, dass das Pferd langfristig gesunderhält.

Außerdem schützt die Abschwitzdecke das Pferd nicht nur vor dem Unterkühlen, sondern auch die Muskulatur vor dem zu raschen Abkühlen. Wäre dies nach dem Training der Fall, würde die locker gerittene Muskulatur direkt verspannen und das Training wäre hinfällig. Wer also sein Training sinnvoll und zukunftsorientiert gestalten will, sollte die Abschwitzdecke in die Trockenreitphase einbinden.

7. Bei sensiblen Pferden verspannt die Rückenmuskulatur bei Kälte und Nässe und jeglicher Trainingsfortschritt ist dahin.

Muskulatur reagiert bei Kälte und besonders bei Zugluft oftmals mit Verspannungen. Bei vielen Pferden, die bei einer solchen Witterung ohne Decke draußen stehen, kann man spätestens beim Putzen die Auswirkungen feststellen: Sobald man mit der Bürste in Richtung Rücken kommt, gehen die Pferde in die Knie vor Schmerzen.

Schafft man es dann, sie trotzdem zu satteln, stellt man beim Training schnell fest, dass nicht nur die Warmreitphase länger als gewohnt dauert, sondern das Pferd auch viel steifer läuft. Der bisherige Trainingsfortschritt ist dahin und muss erst wieder mühsam erarbeitet werden. Das kann mitunter sehr ärgerlich sein. Als Reiter tut man sich und seinem Pferd also einen großen Gefallen, wenn man ihm eine Decke für den Koppelgang aufzieht. So erspart man nicht nur seinem Pferd die Rückenschmerzen, sondern kann auch da weiter trainieren, wo man beim letzten Mal aufgehört hat.

8. Geschorene Pferde brauchen im Winter immer eine Decke.

Wer sein Pferd aufgrund intensiven Trainings im Winter schert, der muss ihm hinterher unweigerlich eine Decke anziehen – drinnen und draußen. Durch das Abscheren des schützenden Haarkleides ist das Pferd einiger seiner natürlichen Thermoregulationsmechanismen beraubt. Es kann sein Fell nicht mehr aufstellen und keine isolierende Luftschicht mehr bilden. Eine Thermodecke übernimmt dann diese Aufgaben und hält das Pferd warm.

Übrigens nicht nur draußen auf der Weide, sondern auch im Stall. Denn auch in der Box kann es zu ungesunder Zugluft kommen, vor der das geschorene Pferd geschützt werden muss. Bei geschorenen Pferden sind Decken also unverzichtbar und haben gleichzeitig den Vorteil, dass dank ihnen diese Pferde auch im Winter überhaupt nach draußen können.

9. Pferde mit Sommerekzem sollten auf jeden Fall mit einer Ekzemerdecke ausgestattet werden.

Reagiert ein Pferd nicht nur nervös auf Insektenangriffe, sondern auch noch allergisch, so spricht man vom sogenannten Sommerekzem. Betroffene Pferde beginnen sich nach Insektenstichen heftig und stark zu scheuern. Dadurch bedingt entstehen kahle, oftmals offene, blutige und eitrige Stellen, die wiederum mehr Insekten anziehen. Ein Teufelskreis entsteht.

Pferde eindecken
Pferde mit Sommerekzem gewinnen durch die Ekzemerdecke extrem an Lebensqualität

Besonders Schweifrübe und Mähnenkamm, aber auch Bauch- und Kopfbereich sind meist besonders betroffen. Um nun die Lebensqualität eines Ekzemerpferdes zu steigern, empfehlen sich spezielle Ekzemerdecken. Diese sich dünn und leicht und verhüllen das Pferd im Idealfall so komplett, dass kein Insekt mehr an die empfindliche Haut kommt. Da es kaum eine andere Methode gibt, einen Ekzemer vor lästigen Stechviechern zu schützen, halte ich diese Decken für unbedingt angebracht. Ansonsten können Ekzemer im Sommer nicht nach draußen und das wäre nicht besonders artgerecht.

10. Für einen medizinischen Notfall sollte auch der größte Deckengegner mindestens eine Abschwitzdecke im Stall haben.

Ein medizinischer Notfall wie ein Schock oder eine Kolik kann schneller passieren, als einem lieb ist. Bis zum Eintreffen des Tierarztes kann es dann vonnöten sein, dem Pferd eine Decke aufzulegen, um es am Auskühlen zu hindern. Hat ein Pferd beispielsweise viel Blut verloren und droht der Kreislauf wegzusacken, sollte man das Pferd sicherheitshalber eindecken. So kann man ihm mitunter noch größeren Stress ersparen.

11. Generell brauchen alte Pferde, kranke Pferde oder diejenigen, deren Thermoregulation nicht mehr funktioniert, spätestens im Winter eine Decke.

Jedes Pferd, das in irgendeiner Form Schwierigkeiten damit hat, sich selbst gegen Kälte und Witterungsbedingungen zu wappnen, sollte bei Bedarf eingedeckt werden. Gründe dafür können vielfältig sein. Laktierende Stuten legen ihre gesamte Energie in die Produktion der Muttermilch für ihr Fohlen.

Pferde eindecken
Stuten mit Fohlen bei Fuß nutzen ihre Energie für die Milchproduktion

Alte Pferde produzieren durch die metabolischen Prozesse des Stoffwechsels nicht mehr genug Energie, um Wärme UND Fettgewebe zu produzieren. Infolgedessen magern sie ab und kühlen aus, obwohl ihnen genug Raufutter zu r Verfügung steht. Andere Pferde wiederum kommen schon mit nicht akkurat funktionierender Thermoregulation auf die Welt und müssen Zeit ihres Lebens mit Decken unterstützt werden. Diese Pferde bezeichnet man auch gerne als „Sensibelchen“ oder gar „Mimosen“.

Ist das Immunsystem durch eine Krankheit oder Operation geschwächt und es draußen kalt, sollte man auch hier die Decke dem frierenden Pferd vorziehen. Für all diese Pferde ist es überlebensnotwenig, sie mit einer Decke zu unterstützen, wenn die Temperaturen sinken. Die Ansprüche alternder und kranker Pferde sind einfach andere, als die junger und gesunder Pferde.

12. Hauspferde sind keine Wildpferde.

Durch jahrhundertelange Zucht und menschliche Selektion, sowie die Abwendung vom natürlichen Lebensraum sind heutige Hauspferde nicht mehr mit echten Wildpferden zu vergleichen. Selbst heutige Wildpferde sind oftmals nur „Rückzüchtungen“ und weisen noch viele Einflüsse aus Menschenhand auf. Während ursprüngliche Wildpferde zum Überleben eine funktionierende Thermoregulation zwingend benötigten und sich nur solche Tiere vermehren konnten, die unter extremen Wetterbedingungen überlebten, verpaaren Menschen auch solche Pferde, die dazu nicht mehr in der Lage wären. Schlicht, weil es kein zuchtentscheidendes Kriterium ist. Vielmehr wird Wert auf Leistung und Optik gelegt.

Weiterhin lebt das Pferd unter dem Menschen weder besonders natürlich noch artgerecht. Das wäre schlicht nicht machbar und auch nicht mit dem Ziel des Reitens vereinbar.

Pferde eindecken
Hauspferde bleiben trotz bester Haltungsbedingungen immer vom Menschen abhängig

Da das Pferd also in vollständiger Abhängigkeit des Menschen lebt, muss dieser auch auf die Bedürfnisse des Pferdes achten. Dazu zählt auch, es angemessen vor Witterungseinflüssen zu schützen. Und wenn es keinen geeigneten Unterstand auf der Weide gibt, bekommt das Pferd eben seinen „mobilen Unterstand“ in Form einer Decke an. Diese Verantwortlichkeit dem Pferd gegenüber sehe ich als selbstverständlich an und wenn es notwendig wird, dem Pferd mit einer Decke gegen Kälte oder Nässe zu helfen, ist dies unabdingbar. Wenn ich also ein Pferd habe, das schon bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wegen nicht ausreichenden Winterfells friert, werde ich es eindecken. So erleichtere ich dem Pferd das Leben und haben noch lange Freude an ihm.

Fazit: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“

Pferde sollten IMMER der Situation entsprechend eingedeckt werden.

Viele Argumente der Deckengegner lassen sich leicht entkräften: Das domestizierte Hauspferd hat mit den Wildpferden kaum noch etwas gemeinsam. Es hatte im Laufe seiner Evolution – hier gleichzusetzen mit Zucht durch den Menschen – nicht mehr die überlebenswichtigen Funktionen im Fokus, sondern wurde auf Leistung und/oder Aussehen gezüchtet. So ist die funktionierende Thermoregulation wohl kein Zuchtkriterium eines Sportpferdes mehr.

Wer kategorisch gegen das Eindecken von Pferden ist, weil es nicht „natürlich“ ist, der sollte sich fragen, was am Reiten, einem Sattel, Wurmkuren oder tierärztlicher Versorgung „natürlich“ ist und dieses alles vielleicht auch lieber weglassen. 😉

Pferd eindecken
Die Decke ist und bleibt eine Frage des Individuums und der Situation

Da das Pferd über Jahrtausende durch den Menschen geformt und angepasst wurde, ist der Mensch aus meiner Sicht auch dafür verantwortlich, sich bestmöglich darum zu kümmern. Und in vielen Fällen beinhaltet das eben auch die Decke, die man dem Pferd bei Regen oder im Winter bei einem schwachen Immunsystem oder im hohen Alter auflegt.

Man sollte nicht den Fehler machen, und sein Pferd nur eindecken, weil das im heimischen Stall „nun mal so gemacht wird“. Individuelle Beobachtungen des eigenen Pferdes und Durchsetzungsvermögen den Stallkollegen gegenüber sind hier der Schlüssel zum Erfolg.

„So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ ist der Merksatz, der immer gilt, wenn es um die Deckenfrage geht. Wenn man ihn beherzigt, fährt man in der Regel gut damit.

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